Page 43 - Mein Leben 1/2020
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Für Menschen mit Diabetes muss mehr getan werden!
Sieben Forderungen des Vorstands von „wir sind diabetes“ an die neue Bundesregierung und an die Verantwortlichen im Ge- sundheitswesen. Das neue Jahr hat zwei wichtige Änderungen im Gesundheitsbereich gebracht, die das Leben von Menschen mit Diabetes mellitus in den kommenden Monaten und Jahren spürbar beeinflussen werden: Wir haben eine neue Bundesregierung und einen neuen Gesundheitsminister, und wir haben eine veränderte Sozialversicherungslandschaft mit neuen Strukturen und zum Teil neuen Verantwortlichen. Was sich nicht geändert hat: Diabetes ist und bleibt eine der häufigsten, potenziell folgenschwersten und kostenintensivsten chronischen Erkrankungen. Es hat sich auch nichts daran geändert, dass alle Prognosen in die Richtung einer weiteren Zunahme der Diabeteserkrankungen weisen. Und es ist immer noch so, dass es in verschiedenen Bereichen der Diabetes- versorgung erheblichen Verbesserungsbedarf gibt und dass Menschen mit Diabetes in diesem Land nach wie vor auf Stigmatisie- rung und Diskriminierung treffen.
Sieben Forderungen an die Verantwortlichen in der Politik und im Gesundheitswesen
Im Namen der österreichischen Diabetes-Selbsthilfevereine, vor allem aber im Namen der bis zu 800.000 Menschen mit Diabetes in Österreich stellen wir an die Verantwortlichen in der Politik und im Gesundheitswesen folgende Forderungen:
1. Wir fordern ein klares Bekenntnis der Politik und der So- zialversicherungsträger zu bundesweit einheitlichen Ver- sorgungsstandards für alle Menschen mit Diabetes in Österreich, ungeachtet von Wohnort und Versicherungszu- gehörigkeit.
2. Wir fordern mehr Solidarität insbesondere mit Kindern und Jugendlichen mit Diabetes. Dies beinhaltet:
• flächendeckende, öffentlich finanzierte Assistenzange- bote für Familien von Kindernmit Typ-1-Diabetes un- mittelbar nach Diagnosestellung und in Krisensituatio- nen
• konkrete Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes in pädagogi- schen Einrichtungen; bundesweit einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen für alle in die schulische Betreuung involvierten Berufsgruppen; flächendeckenden Zugang zu Unterstützungsleistungen durch Gesundheits- oder Assistenzberufe an Kindergärten und Schulen
• geeignete inklusive Maßnahmen in pädagogischen Ein- richtungen, die sicherstellen, dass sich Kinder und Ju- gendliche mit Diabetes gemäß ihren Interessen und Be- gabungen entfalten können
• die Ausweitung von öffentlich finanzierten Angeboten zur Förderung der Diabetes-Selbstmanagement-Kompe- tenz (z. B. Diabetes-Schulungscamps) von Kindern und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes
3. Wir fordern die Weiterentwicklung und Ausweitung des Di- abetes-Management-Programms „Therapie-Aktiv – Diabe- tes im Griff“ für Menschen mit Typ-2-Diabetes.
• In diesem Zusammenhang fordern wir die quantitative und qualitative Weiterentwicklung der Betreuungsstruk-
turen speziell im niedergelassenen Bereich und eine kon- kurrenzfähige Honorierung der Betreuungsleistungen für alle befassten Berufsgruppen.
Wir müssen dazu in vielen Bereichen das Rad nicht neu erfinden. Die Handlungsempfehlungen, die in der Diabetes-Strategie 2017 niedergeschrieben sind, geben eine klare Richtung vor, wie wir einerseits die drohende „Diabetes-Krise“ bewältigen und andererseits die wachsende Zahl der Menschen mit Diabetes so betreuen können, wie es für eine solidarische Gesellschaft in einem Land wie Österreich selbstverständlich sein sollte.
Dr. med. Adalbert Strasser, Präsident „wir sind diabetes“ (Dachorganisation der Diabetes Selbsthilfe Österreich) Dipl.-Päd. Helmut Thiebet, Bundesvorsitzender Österreichische Diabetikervereinigung, Vorstand „wir sind diabetes“ Dr. Barbara Wagner, Präsidentin Aktive Diabetiker Austria, Vorstand „wir sind diabetes“
Hubert Reininger, Obmann Verein DIABÄR, Vorstand „wir sind diabetes“
Peter P. Hopfinger, Herausgeber Diabetes Austria, Vorstand „wir sind diabetes“
• Wir fordern außerdem den Aufbau eines strukturierten Betreuungsprogramms für Menschen mit Typ-1-Diabe- tes zur Prävention von Folgeerkrankungen (diabetisches Fußsyndrom, Retinopathie, Nephropathie etc.).
4. Wir fordern den Ausbau von niederschwelligen Diabetes- schulungsangeboten und der notwendigen Beratung so- wohl im Krankenhaus als auch im niedergelassenen Bereich durch qualifiziertes Beratungspersonal bei adäquater Bezah- lung durch die Sozialversicherungen.
5. Wir fordern die Versorgung mit technischen Hilfsmitteln und Heilbehelfen nach dem aktuellen Stand der Technik, angepasst an die individuellen Bedürfnisse nach entspre- chender Befundung, in Verbindung mit entsprechender me- dizinisch-technischer Schulung durch Fachpersonal.
6. Wir fordern österreichweit einheitliche Richtlinien für die Vergabe bzw. Verlängerung von Lenkerberechtigungen für Menschen mit Diabetes
7. Wir fordern die Umsetzung der in der Österreichischen Dia- betes-Strategie 2017 festgeschriebenen Ziele. Diabetes mellitus und seine Begleit- und Folgeerkrankungen entwickeln sich zu einer der größten Herausforderungen für die Gesundheitssys- teme in diesem Jahrhundert. Wir werden dieses Problem mit Sicherheit nicht aussitzen können. Wir müssen heute alles dar- ansetzen, das Gesundheitssystem, auf das wir so stolz sind, in Sachen Diabetes zukunftssicher zu machen. Dazu gehört, dass wir die unbestreitbar bestehenden Versorgungsdefizite nicht wegreden, sondern rasch und pragmatisch angehen.
MEIN LEBEN 1/2020 | 43